Deine Katze kratzt und beißt dich?
Es gibt wenige Verhaltensweisen von Katzen, die so schnell und massiv das Verhältnis zwischen Mensch und Tier beeinflussen, wie Aggression gegen einen selbst. Eine plötzliche Beiß-Attacke, eine wütend schreiende Katze, die sich in Wade oder Fuß festkrallt, ist nicht nur schmerzhaft, sie ist vor allem angsteinflößend. Nicht selten ist das Verhältnis zwischen Halter und Katze so gestört, dass das Tier irgendwann abgegeben wird.
Inhaltsverzeichnis:
Woher kommt aggressives Verhalten uns Menschen gegenüber und was kannst du tun?
Der erste Weg, wenn es sich um deine eigene, vertraute Katze handelt, die diese Verhaltensweisen zuvor nie gezeigt hat, sollte zum Tierarzt führen.
Vielleicht hat deine Katze Schmerzen hat und reagiert aus diesem Grund aggressiv.
Ist medizinisch alles abgeklärt und die Katze gesund, liegt der Verdacht eines traumatischen Erlebnisses sehr nah. Dies gilt im Besonderen für Freigänger.
Wichtig ist, dass du Ruhe bewahrst, deine Katze nicht bedrängst und sie mit dem, für dein Tier, angemessenen Abstand gut beobachtest. Es geht darum, sich heranzutasten, wovor dein Tier solche Angst hat, dass es so aggressiv reagiert.
Einige Beispiele aus der Praxis:
- Deine Hände?
- Deine Füße und Beine?
- (Zu) schnelles Aufstehen
- (Zu) forsches Zugehen auf dein Tier
- Zeitungen/Zeitschriften die du in der Hand hälst
- Besen oder Gegenstände, die du in der Hand hast
- Aber auch bestimmte Geräusche, die dein Tier mit dem schlimmen Ereignis verbindet
Wenn du die Auslöser gefunden hast, solltest du im ersten Schritt versuchen, diese Reize in der Nähe deiner Katze (so weit als möglich) zu vermeiden. Bedränge die Katze nicht, versuche nicht, sie an ihrem Rückzugsort zu streicheln oder ähnliches. Dieser ist für uns Menschen tabu! Er ist der sichere Hafen, den deine Katze dringend braucht.
Bitte sei auch so rücksichtsvoll, Futter und Toiletten in der Nähe des für sie sicheren Ortes aufzustellen. Ein Schreck/ein Trauma braucht Zeit und Rücksichtnahme um verarbeitet zu werden.
Ist deine Katze wieder soweit gefestigt, dass sie sich heraus traut, dann nimm dies positiv zur Kenntnis, aber überfordere das Tier nicht. Eine begeisterte Schmuseattacke oder gar hochheben wäre fatal. Es kostet sie viel Überwindung, sich wieder in der Wohnung zu bewegen und in Bedrängnis zu geraten, wäre ein herber Rückschlag.
Schaut deine Katze dich an, kannst du den Blick erwidern, langsam blinzeln und dann wieder wegschauen, diese Gestik ist mit dem menschlichen Lächeln vergleichbar.
Ab diesem Zeitpunkt solltest du immer „Kekse“ bei dir haben. Kommt die Katze von selbst wieder in den Raum, in dem du dich aufhältst, kannst du das Verhalten belohnen und den Kontakt so positiv verstärken. Bitte geh noch nicht mit dem Leckerchen auf der Hand auf dein Tier zu, leg es in reichlich Abstand auf den Boden.
Nach und nach und nur ganz langsam, kannst du den Abstand zwischen dir und den Leckerchen verringern, deine Katze gibt das Tempo vor.
Deine wichtigste Aufgabe ist es, in dieser Zeit, die Sprache deiner Katze wahrzunehmen, zu verstehen und dein Verhalten entsprechend anzupassen. Bei nachfolgenden Verhaltensweisen hat deine Katze immer noch große Angst und die Nähe zu dir ist ihr noch nicht geheuer. Respektiere dies, halte Abstand, die Katze dankt es dir, indem sie nicht angreift!
- geducktes Gehen
- angelegte, nach hinten gedrehte Ohren
- fauchen
- Schwanz schlagen
Auch wenn sie es irgendwann wieder duldet, dass du sie anfassen und vielleicht sogar streicheln darfst, musst du weiterhin gut auf ihre Signale achten. Verändern sich Ohrenhaltung und/oder der Schwanz zuckt, höre auf zu streicheln. Gib ihr die Sicherheit, dass du sie nicht drängst, dass du sie respektierst. Sie darf entscheiden, wieviel sie zulassen kann.
Ungleich schwieriger ist es, wenn du die Katze nicht kennst!
Ein Tier beispielsweise aus dem Tierschutz kann dich da vor große Herausforderungen stellen. Gerade wenn man so gar nicht weiß, welche Vorgeschichte das Tier hat und wie die Prägephase war, ist man zuerst völlig ratlos.
Der erste Schritt muss hier sein, dem Tier einen absolut sicheren Rückzugsort zu geben und es dort völlig in Ruhe zu lassen.
Mach es dir mit einem Buch im gleichen Raum, aber mit großem Abstand zur Katze, gemütlich und sei einfach nur da. Beachte die Mietze nicht und versuche nicht, Kontakt mit ihr aufzunehmen.
Deine Katze soll sich in dieser ersten Phase zuerst mal nur daran gewöhnen, dass du da bist und keine Gefahr für sie darstellst.
Je nach Vorgeschichte und Alter der Katze kann diese Phase Wochen oder gar Monate andauern.
Schafft es ein solches Tier irgendwann, seine Angst so weit zu überwinden, dass es sich aus seinem Versteck heraus traut, musst du ganz sensibel sein und ganz genau beobachten. Denn gerade bei Katzen, die von verwilderten Müttern geboren wurden oder lange auf der Straße gelebt haben, sind alle Schutzmechanismen besonders stark ausgeprägt.
Oft haben sie zudem die Erfahrung machen müssen, dass man Menschen nicht trauen, sie nicht mit höflicher (Katzen-)Kommunikation auf Distanz halten kann, sondern nur Zähne und Krallen wirkungsvoll helfen.
Akzeptiere also bitte immer den Abstand, den deine Katze für sich fordert. Sei offen für alles, was sie anbietet und fordere nichts, was sie nicht geben kann.
Kommt es zu einem (erneuten) Angriff, geht immer dein Eigenschutz vor:
- Entferne dich von der Katze, gehe in einen anderen Raum und schließe die Tür.
- Lass sie sich beruhigen und beruhige dich selbst.
Wenn du so weit bist, geh in Gedanken die Situation nochmal durch:
- was genau hast du getan?
- was hat die Katze getan?
- gab es äußere Faktoren wie plötzliche Geräusche?
Alle diese Fragen helfen, besser zu verstehen, was genau passiert ist und was bei der Katze diese Angriffe auslöst.
ABER: Es wird nicht immer gelingen, die auslösenden Reize auszumachen und auszuschließen. Selbst die größte Geduld und intensivste Bemühungen, können dir nicht garantieren, dass aggressive Katzen irgendwann zu verschmusten Stubentigern werden.
Gerade im Bezug auf Tierschutz-Katzen, hadere ich immer mit dem Satz: „Man soll doch lieber ein Tier adoptieren, sie sind so dankbar“.
Eine Katze kennt keine Dankbarkeit. Der Mensch knüpft aber an diese „dankbaren Tiere“ bestimmte Erwartungen und dies führt nicht selten dazu, dass enttäuschte Halter sich an den vermittelnden Verein wenden und die überforderten Tiere wieder abgeben. Dies ist für beide Seiten sehr belastend.
Einem Tier die Chance auf ein Zuhause zu geben, ist wundervoll, aber man sollte sich darüber bewusst sein, dass nicht jede „geschundene Seele“ urplötzlich zur Schmusekatze mutiert.
Passt ein Tierschutz Tier zu dir?
Daher ist meine offene und ehrliche Bitte, stelle dir vor der Aufnahme einer solchen Katze ganz ehrlich die nachstehenden Fragen. Wenn du diese mit „ja“ beantworten kannst, ist es eine unglaublich tolle Chance für die Katze. Wenn nicht, dann passt ihr beiden einfach nicht gut zueinander und du solltest dich nach einem anderen Tier umschauen. Für die Katze würde ein „Zurückgeben“ die Situation nur verschlimmern.
- Ist es mir möglich so eine Katze aufzunehmen?
- Habe ich eine entsprechende Wohnung, in der ich der Katze eine absolut ungestörte Rückzugsmöglichkeit geben kann?
- Was möchte ich?
- Möchte ich eine Schmusekatze oder möchte ich einem Tier einfach ein Zuhause bieten?
- Ist es für mich in Ordnung, dass die Katze zwar bei mir, aber nicht aktiv mit mir lebt?
- Kann ich, im Falle eines Angriffes mit dieser Situation umgehen?
- Wäre das für mich eine große Enttäuschung und würde ich vielleicht sogar Angst vor meinem eigenen Tier bekommen?
Du musst dir darüber im Klaren sein, dass eine aggressive Katze durchaus immer aggressiv bleiben kann. Mit dem Wissen um die Herausforderungen und der Bereitschaft, das Tier so zu akzeptieren wie es ist, Rückschläge bewältigen zu können, spricht dennoch sehr vieles dafür, sich für genau solch ein Tier zu entscheiden. Aber wenn du es dir nicht zutraust oder andere Faktoren dagegen sprechen, ist es nur ehrlich, sich dagegen zu entscheiden.
Häufig kann ich als Verhaltensberaterin aber feststellen, dass gerade solche Katzen unglaublich sozial im Umgang mit Artgenossen sind und hier kann eine große Chance verborgen liegen. Ein gut sozialisiertes und im Umgang mit Menschen versiertes (vorhandenes) Partner-Tier kann zum einen sehr viel Sicherheit geben und zum anderen ein Vorbild sein, wie man gemeinsam mit Menschen hervorragend leben kann.
Hol dir rechtzeitig Rat! Eine professionelle Katzenverhaltensberatung oder auch eine fachlich kompetente Tierheilpraktikerin können eine gute Unterstützung sein und Dir und deiner Katze zu einem friedlichen Miteinander verhelfen.
Bevor ich den letzten Artikel zum Thema Aggression und aggressives Verhalten bei Katzen abschließe, ein dringender Hinweis: Katzenbisse können für Menschen sehr schnell gefährlich werden. Dies liegt zum einen an den Bakterien im Maul der Katze und zum anderen an der Form der Canini (Fangzähne) – diese sind spitz und zugleich sehr dünn, bei einem Biss entsteht so ein zwar kleiner aber tiefer Wundkanal, durch den Bakterien tief ins Gewebe eingebracht werden. Gleichzeitig wird dieser oberflächlich schnell verschlossen und eine Blutvergiftung kann die Folge sein. Geh rechtzeitig zum Arzt!
Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Katzenpsychologin Katrin Knispel www.verstehedeinekatze.de entstanden. Dank dir Katrin.
Ich wünsche euch und euren Tieren eine gute Zeit!
Liebe Grüße
Susanne